Claudia Veit
hat in ihrem Monster-Wettbewerb eine Gewinnerin erkoren.
Was bringt eine 44-jährige Frau dazu, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt freiwillig in den kalten Bichelsee zu steigen? Für Emilia Locher aus Wängi ist die Antwort klar: ihre Gesundheit. Die WN haben sie beim Eisbaden begleitet.
Wängi/Bichelsee Am vorletzten Freitag trafen die WN-Redaktorinnen Linda Bachmann und Jasmin Schwager die Wängenerin Emilia Locher am Bichelsee. Bei einer Aussentemperatur von null Grad Celsius begleiteten wir sie auf einem kurzen Spaziergang. «Das ist wichtig, damit sich der Körper schon einmal an die Kälte gewöhnt, nachdem man aus dem beheizten Auto gestiegen ist. So ist die Temperaturdifferenz zum See weniger extrem», erklärte Locher, die seit über zehn Jahren in der Pflege arbeitet. «Ich machte Sport, ernährte mich gesund, aber sobald ein Patient auch nur hüstelte, wurde ich krank.»
Den ersten Anstoss zum Eisbaden gab Locher eine Begegnung im Sommer. Andere Badegäste erzählten ihr, dass sie selbst im Winter regelmässig in den Bichelsee steigen und sich dadurch gesünder fühlen. Das weckte ihre Neugier und die SRK-Pflegehelferin begann, sich zu informieren. Dabei stiess sie auf die Wasserkur von Sebastian Kneipp und die Methoden von Wim Hof, der die gesundheitlichen Vorteile des Eisbadens propagiert. «Mein Wunsch ist es, 100 Jahre alt zu werden. Für meine Gesundheit würde ich alles tun.» Vor vier Monaten wagte sie dann das erste Mal den Schritt ins kalte Wasser. Seither ist die 44-Jährige überzeugt. «Eisbaden stärkt das Immunsystem, kann gegen Rheuma und Arthrose helfen und gemäss aktuellen Studien der Universität Cambridge soll es sogar gegen Demenz helfen», teilte sie ihr neu gewonnenes Wissen. Dennoch sei Eisbaden nicht für jeden das Richtige: «Personen mit zu hohem Blutdruck oder Herzproblemen sollten sich dieser Extremsituation nicht aussetzen.»
«Nicht jedes Gewässer eignet sich zum Eisbaden», warnte Locher. «Ich war einmal in der Murg in Wängi, das war wegen der starken Strömung aber gefährlich.» Es sei wichtig, beim Eisbaden eine gute Bodenhaftung zu haben. «Wegen des vielen Schlamms und der Algen finde ich auch den Bodensee teilweise zu gefährlich. Deswegen gehe ich nur noch im Bichelsee zum Eisbaden, dort fühle ich mich sicher», so die Wängenerin. Der See sei ideal, weil er eine Treppe zum Einsteigen hat, nicht zu tief ist und das Gewässer ruhig ist. Ausserdem riet Locher, wenn möglich, nie allein baden zu gehen: «Wenn trotzdem etwas passiert, ist es wichtig, dass jemand da ist, der es mitbekommt und helfen kann.»
Bevor es ins Wasser ging, legte Locher warme Kleidung, eine Mütze, Neoprenhandschuhe und -socken sowie einen Wecker bereit. «Mit dem Wecker achte ich darauf, die Zeit nicht aus den Augen zu verlieren – das kann im Wasser nämlich schnell passieren.» Auch für die Socken und Handschuhe aus Neopren gebe es gute Gründe: «Gerade Hände und Füsse kühlen sehr schnell aus, weil sie auf geringer Fläche sehr stark durchblutet sind. Die meisten tauchen ihre Hände beim Eisbaden gar nicht unter Wasser.» Um ihre eigenen Hände und Füsse zusätzlich abzuhärten, taucht die 44-Jährige sie zu Hause auf ihrem Balkon mehrmals täglich in eine Wanne voll mit kaltem Wasser.
Für Emilia Locher ist es entscheidend, langsam ins Wasser zu gehen, um den Körper nicht durch einen plötzlichen Kälteschock zu überfordern: «Ich finde, man sollte weder im Sommer noch im Winter einfach ins Wasser springen. Der Schock durch den Temperaturunterschied ist immer gefährlich.» Während des Eintauchens sei es auch wichtig, möglichst ruhig zu atmen, um den Körper in eine Art Entspannung zu bringen. Sobald sie bis zum Hals im Wasser stand, startete Locher ihren Timer: fünf bis acht Minuten. Für Anfänger empfiehlt sie, nicht länger als ein bis zwei Minuten im Wasser zu bleiben: «Sobald man merkt, dass etwas schmerzt, die Zehen zum Beispiel, sollte man sofort rausgehen. Es soll kein unangenehmes Erlebnis werden.»
Nach dem Eisbad im Bichelsee blieb Locher noch einige Minuten im Bikini an der kalten Luft und machte leichte Übungen, wie Squats oder Dehnübungen. «Aber nichts zu Anstrengendes», betonte sie. Das sei der Moment, in dem ihr Körper richtig arbeiten müsse, um aus eigener Kraft die Körpertemperatur wieder auf die üblichen 37 Grad anzuheben. «Ich bin lieber weniger lang im Wasser und dafür länger draussen», erzählte Locher und ergänzte: «Ich sehe dann jeweils, wie mein Körper ganz rot wird, weil er so gut durchblutet wird. Häufig muss ich mich gar nicht abtrocknen, denn durch die Hitze meines Körpers und die trockene Luft verdampft das Wasser schnell.» Was für ihren Körper gilt, gilt aber nicht für ihre Kleidung: «Einmal war es draussen minus sechs Grad, und während ich im Wasser war, froren meine Kleider ein. Heute kann ich darüber lachen, aber damals war es unglücklich.»
Im Wasser bleibt Locher streng fünf bis acht Minuten – eine Lektion, die sie auf die harte Tour gelernt hat. «Vor rund drei Wochen war ich mit einer 71-jährigen Dame, die schon seit vier Jahren zum Eisbaden geht, ganze zehn Minuten im Wasser. Das war zu viel für meinen Körper. Es dauerte viel länger, bis mir wieder warm wurde und ich bekam später sogar Schüttelfrost.» Gemäss der SRK-Pflegehelferin sei es zwar gut, wenn man den Körper nach dem Eisbad arbeiten lasse, um wieder auf die gewohnten 37 Grad zu kommen. Es sei aber umso wichtiger, dass man sich selber nur langsam heranführe und jederzeit trotzdem genügend Schichten Kleidung, Handschuhe und eine Mütze dabeihabe, um den Körper zu unterstützen. Nach dem Eisbad sei erst mal Ruhe angesagt: «Ich würde dann nicht direkt arbeiten gehen oder Sport machen, sondern zunächst nach Hause ins Warme und Tee trinken.»
Eine positive Wirkung auf die Gesundheit sieht Locher sowohl kurz- als auch langfristig: «In der Pflege sehe ich oft ältere Menschen mit Thrombosen oder Menschen, die auf Stützstrümpfe angewiesen sind. Das möchte ich mir ersparen.» Langfristig dehnt die Kälte die Venen und fördert die Durchblutung. Durch die vergangenen vier Monate des Eisbadens merkt Locher bereits jetzt, wie ihr Körper sich verändert hat: «Durch die Routine von drei- bis viermal Eisbaden in der Woche tritt eine Gewöhnung ein und der Körper wandelt Fettzellen zu braunem Fett um, dieses ist kompakter und isoliert stärker», erklärte die SRK-Pflegehelferin ihre neu gewonnene Kälteresistenz. «Früher war ich ein ‹Gfrörli›, habe immer mehrere Schichten getragen – sogar bei der Arbeit. Jetzt arbeite ich ohne Jacke und schlafe nackt. Mein Körper kann inzwischen viel besser selbst Wärme produzieren und krank bin ich seither auch nicht mehr geworden.»
jms
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