Francesco Cristofari
fuhr spontan mit seinem E-Bike
von Eschlikon
nach Italien.
Livia Twiddy (kl. Bild) weiss: Vaping wird gerade bei Jugendlichen immer beliebter.
«NoNic» oder «0 Prozent Nikotin» steht auf diversen Tabakprodukten wie Einweg-E-Zigaretten oder Pouches. Nikotin ist da auch keines drin, doch eine synthetische Form, die potenziell noch süchtiger machen könnte – und online oft ohne Alterskontrolle abgegeben wird.
Wil/Eschlikon/Stettfurt Man weiss mittlerweile, dass Jugendliche den Hauptteil der Konsumenten von Vaping-Produkten wie E-Zigaretten ausmachen. «Dieser Anstieg hängt nicht nur mit den zahlreichen Geschmacksvarianten der Vapes zusammen, sondern auch mit den Marketingstrategien der Tabak- und Nikotinindustrie. Hinzu kommen zudem beliebte Challenges auf TikTok, die zum Mitmachen animieren», sagt Livia Twiddy von der Lungenliga Ost. Umso bedenklicher sei es, dass ein Stoff wie 6-MN (6-Methylnikotin) es nun schaffe, auch in der Schweiz bestehende Tabakgesetze zu umgehen. «Produkte, die 6-MN enthalten, sind leicht online erhältlich, oft ohne Alterskontrolle, was das Risiko erhöht, dass Jugendliche sie konsumieren», merkt die ehemalige Wilerin an. Umso wichtiger sei es, dass Jugendliche über die Risiken von 6-MN aufgeklärt werden. «Ich denke nicht, dass sie sich mit den Inhalten der Vapes auseinandersetzen und vermute, dass der Konsum von Stoffen wie 6-MN unwissentlich geschieht.»
«Die Substanz 6-MN wird im Labor aus Erdöl synthetisch hergestellt. Sie verfügt über eine ähnliche Struktur und bindet sich im Gehirn an dieselben Rezeptoren wie Nikotin – gilt aber vor dem Gesetz nicht als Nikotin», erklärt Twiddy. Die gesundheitlichen Auswirkungen seien noch wenig erforscht. «Es gibt aber Hinweise da-rauf, dass 6-MN die Aufmerksamkeit, das Lernen und das Gedächtnis von Jugendlichen negativ beeinflussen kann. Erste Studien deuten zudem darauf hin, dass es sogar noch süchtiger machen könnte als natürliches Nikotin aus der Tabakpflanze», warnt sie. Um das zu belegen, brauche es noch weitere Studien. «Jedoch ist bereits jetzt schon klar, dass diese neue Variante gefährlich sein kann.»
Die Produkte mit 6-MN werden online als «nikotinfrei» beworben. Twiddy sieht dieser Marketingstrategie mit Besorgnis entgegen: «Es ist offensichtlich, dass die Tabak- und Nikotinindustrie ihre Produkte dadurch als ‹nicht süchtig machend› darstellen will. Das stimmt natürlich nicht.» Darüber hinaus seien darin auch weitere gefährliche Inhaltsstoffe enthalten. «Aus meiner Sicht müssen auch synthetisch hergestellte Substanzen, welche eine Ähnlichkeit zu Nikotin haben, reguliert werden. Diese sind aktuell im Tabakproduktegesetz nicht explizit erfasst», so Twiddy. Bis dahin sei die Präventionsarbeit bei Jugendlichen weiterhin ein grosser Bestandteil ihrer Arbeit bei der Lungenliga Ost: «Im Rahmen unseres nationalen Projektes ‹Unvernebelt in der Spur› setzen wir Workshops auf Primar- und Sekundarstufe um.»
Nationalrat Christophe Clivaz (Grüne/VS) wollte vom Bundesrat wissen, wie er zur Regulierung von 6-MN steht. Die Antwort des EDI (Eidgenössisches Departement des Innern) fiel im März relativ nüchtern aus: «Aktuell sieht der Bundesrat keinen Handlungsbedarf, da kaum entsprechende Produkte im Umlauf sind. Bei einem Import der Produkte können das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit und die Kantone mit dem bestehenden rechtlichen Instrumentarium unmittelbar reagieren.» Sollten die Produzenten also planen, ihre Produkte in der Schweiz offiziell auf den Markt zu bringen, dann könne man sie kontrollieren und regulieren. Das schweizerische Tabakproduktegesetz (TabPG) lasse sich jedoch nicht auf im Internet bestellte Produkte aus dem Ausland anwenden. Damit bleibt ein Risiko bestehen – gerade für Jugendliche, die über das Internet leicht an diese neuen Stoffe gelangen.
jms
«Das ist sehr spannend. Von dem Stoff 6-Methylnikotin habe ich noch nie gehört und auch nicht gewusst, dass dieser ‹legal› ist», sagt Oliver Hess nachdenklich. Dass Vaping bei Jugendlichen ein Riesenthema ist, ist für den Jugend-arbeiter aber keineswegs neu: «Wir haben tatsächlich gerade bei der letzten Netzwerksitzung mit den anderen Jugendarbeitenden aus der Region vertieft über das Thema Vapes gesprochen. Es ist praktisch in jedem Jugendtreff üblich, dass es Jugendliche gibt, die Vapes konsumieren», offenbart er. Der Konsum fange dabei wirklich schon sehr früh an – teilweise bereits in der 5. oder 6. Klasse. «Bei uns und, wie ich annehme, auch in den anderen Jugendtreffs ist das Rauchen verboten», betont Hess. Trotzdem komme es immer wieder vor, dass Jugendliche vor dem Treff oder sogar auf der Toilette ein paar Züge von ihren Vape-Pens nehmen. Was Hess besonders problematisch aufgefallen ist: «Die Verpackungen, Designs und Geschmacksrichtungen der Vapes wirken gezielt jugendgerecht – sie locken mit bunten Farben und exotischen Geschmäckern. Das finde ich bedenklich.»
Auch im Jugendtreff am Sonnenberg, welcher die Jugendlichen von Stettfurt, Matzingen und Thundorf vereint, sei Vaping ein mega Thema, wie Cindy Freid berichtet. «Sehr viele der Jugendlichen konsumieren, obwohl auch hier das Vapen und der Konsum von Tabakwaren verboten sind.» Um trotzdem zu rauchen und zu vapen, gehen viele der Jugendlichen extra auf den Parkplatz vor dem Treff. «Dort kann ich es ihnen natürlich nicht verbieten», erklärt Freid. Die Jugendtreffleiterin hatte schon diverse Einsätze für die Lungenliga Ost und kennt sich mit den negativen Folgen des Rauchens aus. «Ich versuche, mit den Jugendlichen darüber zu reden, und arbeite im Treff aktiv präventiv, aber meistens bringt es nur wenig.» Das liege nicht nur da-ran, dass sie sich der Konsequenzen ihres Konsums nicht bewusst sind, sondern entstehe vor allem aus einer Gruppendynamik heraus: «Sehr viele der Jugendlichen konsumieren, weil sie sich vom Gruppendruck mitreissen lassen. Sie wollen ‹cool› sein vor den anderen und rauchen deshalb mit.» Jugendliche probieren anfangs meist die Vapes von anderen. «Durch das Nikotin kommt es dann aber schnell zur Abhängigkeit», warnt Freid. «Ich zeige den Jugendlichen dann, dass Zugehörigkeit auch anders geht – zum Beispiel durch kreative Projekte, gemeinsames Kochen oder einfach gute Gespräche», sagt sie und ergänzt: «Bietet man den Jugendlichen einen sicheren Raum, wo sie sich wohl und ernst genommen fühlen, sind sie auch offen für Gespräche über Risiken und eigene Beweggründe.»
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