Michael Sarbach
ist neuer Botschafter der Stadt Wil.
Der Kanton Thurgau hat kein eigenes Frauenhaus: Für GLP-Kantonsrätin Nicole Zeitner (kl. Bild) aus Stettfurt ist das problematisch.
Anfang April haben zwei Thurgauer GLP-Kantonsrätinnen eine einfache Anfrage an den Regierungsrat gestellt. Im Zentrum stehen Schutz und Unterbringung von Frauen in Gewaltsituationen. Nicole Zeitner aus Stettfurt ist der Überzeugung: «Den Thurgauerinnen fehlt eine eigene Notunterkunft.»
Stettfurt/Thurgau Gewalt gegen Frauen kann körperlich, psychisch, sexuell oder digital sein, passiert oft schleichend und ist schwer greifbarDa der Thurgau über kein eigenes Frauenhaus verfügt, sind Betroffene auf Unterkünfte in anderen Kantonen, wie das Frauenhaus in Winterthur, angewiesen. Doch Frauenhausplätze sind in der ganzen Schweiz knapp. Deshalb möchten die Kantonsrätinnen Nicole Zeitner und Celina Hug wissen, wie viele Frauen und Kinder seit 2018 untergebracht wurden, wo, mit welchen Wartezeiten und ob es Fälle gab, in denen keine sofortige Aufnahme möglich war. Auch fragen sie nach Übergangslösungen und ob Thurgauer Frauen im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Kantonen gleichbehandelt werden.
Nicole Zeitner, was hat Sie persönlich dazu bewogen, diese Anfrage beim Regierungsrat einzureichen?
Die Schweiz hat sich mit dem Beitritt zur Istanbul-Konvention 2017 verpflichtet, Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu bekämpfen. Trotzdem hinken wir in der Praxis hinterher. Laut Bundesamt für Statistik stiegen im letzten Jahr die Fälle häuslicher Gewalt um sechs Prozent, Vergewaltigungen gar um 30 Prozent und die Hälfte der vollendeten Tötungsdelikte geschah im häuslichen Umfeld – meist kannten die Täter ihre Opfer persönlich. Viele Frauenhäuser sind überbelegt. Die zunehmende häusliche Gewalt trifft auf stagnierende Mittel von Bund und Kantonen – und das, obwohl sich die Schweiz mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention dazu verpflichtet hat, mehr für den Schutz von Frauen zu tun.
Als Kantonsrätin stehen Sie in der Öffentlichkeit. Wurden auch Sie in Ihrer Position oder privat schon Opfer von sexualisierter Gewalt?
Nein – im politischen Umfeld erlebe ich in der Regel einen respektvollen und wertschätzenden Umgang. Was gelegentlich vorkommt, sind verbale Angriffe bei Flyeraktionen während Wahlkämpfen. Dabei entlädt sich manchmal Frust über das allgemeine politische Geschehen. In den meisten Fällen lassen sich solche Situationen mit einem offenen Ohr und einem Gespräch deeskalieren. Jedoch in einem früheren beruflichen Umfeld habe ich bei grenzüberschreitendem Verhalten einer Person auch gehandelt. Diese Person wurde anschliessend freigestellt. Darum geht es auch in unserem Vorstoss: um strukturellen Schutz für Betroffene von Gewalt.
Wie gravierend schätzen Sie die aktuelle Situation für gewaltbetroffene Frauen im Thurgau ein?
Die polizeiliche Kriminalstatistik 2024 des Kantons Thurgau zeigt eine besorgniserregende Entwicklung: Die Zahl der Straftaten gegen die sexuelle Integrität stieg um vier Prozent. Besonders alarmierend ist der Anstieg bei Straftaten im Bereich häuslicher Gewalt – hier wurden 688 Fälle registriert, was einer Zunahme von 37 Prozent entspricht. Im Durchschnitt bedeutet das, dass im Thurgau täglich zwei Straftaten im häuslichen Umfeld verübt werden.
Welche konkreten Probleme entstehen dadurch, dass der Thurgau kein eigenes Frauenhaus hat?
Es besteht eine Leistungsvereinbarung mit dem Frauenhaus Winterthur. Das Problem ist jedoch, dass rund 40 Prozent der Frauen in Zürcher Frauenhäusern aus anderen Kantonen stammen. Die Nachfrage nach Unterkünften für Gewaltbetroffene ist so gross, dass aus Platzgründen betroffene Frauen in anderen Kantonen untergebracht werden müssen. Auch die Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein (DAO) weist klar auf fehlende Schutzplätze hin. Die Frauenhäuser seien permanent überbelastet. Die Schutzbedingungen können in solchen Engpässen nicht mehr gewährleistet werden. Hier sind wir als Politikerinnen und Politiker gefordert, auf diese Missstände hinzuweisen, damit die Kantone ihren Verpflichtungen nachkommen.
Gibt es Hinweise darauf, dass Frauen aus dem Thurgau bei der Platzvergabe in anderen Kantonen benachteiligt werden?
Gerade weil uns hierzu keine konkreten Informationen vorliegen, haben wir die Anfrage gestellt – um vom Regierungsrat Klarheit zu erhalten, ob und inwiefern Frauen aus dem Thurgau bei der Platzvergabe in anderen Kantonen benachteiligt sein könnten.
Was fordern Sie konkret vom Regierungsrat – geht es nur um Zahlen oder auch um neue Strukturen?
Ziel ist es, eine fundierte Datengrundlage zu schaffen, um die aktuelle Situation im Kanton verlässlich einschätzen zu können. Sollte sich dann ein Bedarf an strukturellen Anpassungen zeigen, erwarten wir, dass dieser ernst genommen und entsprechend angegangen wird.
Die Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz und Liechtenstein (DAO) weist seit Jahren auf die zunehmende Überlastung der Frauenhäuser und den Mangel an Schutzplätzen hin. Notlösungen wie Hotelaufenthalte oder die Aufnahme ohne formelle Vereinbarung sind zwar notwendig – aber nur ein Zeichen dafür, dass es schlicht an Platz fehlt. Diese Lösungen können den erforderlichen Schutz und die Betreuung nicht im gleichen Ausmass gewährleisten.
Wie schnell müsste der Kanton handeln – und was wäre ein realistischer erster Schritt?
Mit unserer Anfrage wollen wir klären, ob im Thurgau eigene Schutzplätze geschaffen werden sollen oder ob zusätzliche Leistungsvereinbarungen mit bestehenden Frauenhäusern nötig sind. Tatsache ist: Frauenhäuser sind kein Luxusgut, sondern eine dringend notwendige Infrastruktur zum Schutz gewaltbetroffener Frauen. Grundsätzlich wäre somit ein zeitnahes Handeln erforderlich.
jms
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