Claudia Keel-Graf
erklärt, mit welchen Zutaten dasThurbobräu gebraut wird.
Ein zu hohes Arbeitspensum und dabei die Verantwortung über Menschenleben. Zwei Pflegefachfrauen erzählen, wie die heutige Situation im Kantonsspital St.Gallen (KSSG) nach den Massenentlassungen im letzten Jahr ist.
Im vergangenen September schockierte eine Medienmitteilung des Kantonsspitals St.Gallen die Bevölkerung. Über die Jahre 2023 und 2024 sollten rund 260 Stellen abgebaut werden. Der Stellenabbau solle in erster Linie in Supportfunktionen und der Administration erfolgen, jedoch seien auch die Kernbereiche Medizin und Pflege davon betroffen, hiess es in der Mitteilung. Man setzte sich zum Ziel, dank effizienterer Strukturen und einer verbesserten Kapazitätsplanung Patienten qualitativ gut zu betreuen trotz weniger Personal. Doch die Einhaltung genau dieses Ziels sollte sich in der Praxis als Herausforderung auf Kosten des Behandlungspersonals darstellen.
Corina Müller und Sabine Bösch* aus dem Einzugsgebiet der WN erleben die Auswirkungen des Stellenabbaus Tag für Tag. «Auf die Entlassungen im Pflegepersonal seitens des KSSG folgten weitere Kündigungen von Mitarbeitern», erinnert sich Müller an den vergangenen Herbst. Um dem Engpass entgegenzuwirken, stellte man wieder Leute von Temporärfirmen ein, weiss Bösch. «Es fehlt jedoch schlichtweg die Zeit, diese Mitarbeitenden einzuarbeiten, wodurch wiederum die Arbeitsqualität aus der Sicht des Behandlungspersonals leidet», gibt Müller zu bedenken. «Die Aussage ‹Durch die Entlassungen und darauffolgende Kündigungen mussten viele temporäre Mitarbeiter eingestellt werden› trifft so für das KSSG nicht zu», sagt Medienbeauftragter, Philipp Lutz. Das Spital sei zwar vorab im Operationsbereich teilweise auf temporäres Personal angewiesen, um Engpässe zu überbrücken, dies sei aber schon vor der Lancierung des Ergebnisverbesserungsprogramms der Fall gewesen. «Das Temporärpersonal steht im Zusammenhang mit dem ausgetrockneten Stellenmarkt in den spezialisierten Fächern. Der Anteil an temporärem Personal ist am KSSG in der Pflege insgesamt aber sehr tief und wird sich bis Ende Jahr sogar wieder gegen null reduzieren», so Lutz. Zur Arbeitsqualität sagt er Folgendes: «Das KSSG verfügt über ein Feedbackmanagement, dessen Betrieb durch das Qualitätsmanagement gewährleistet wird.» Alle stationären Patienten erhalten bei Spitalaustritt einen Fragebogen, der ausgewertet wird. «Gerade die Pflegequalität wird als sehr gut beurteilt», sagt Philipp Lutz.
Die diplomierten Pflegefachfrauen hätten im KSSG von mehreren Abteilungen erfahren, was diese Personalkürzungen für die Patienten bedeuten. «Durch den Engpass müssen auf den Stationen Betten gesperrt werden. Was zur Folge hat, dass Patienten mit einem Leiden auf einer fachfremden Abteilung liegen müssen», weiss Bösch. Das Spital sei für seine spezialisierten Fachabteilungen bekannt, und genau diese Spezialisierung reize die beiden Frauen, dort zu arbeiten, fügt Müller hinzu. «Wenn nun ein Patient mit einem Lungenleiden auf der Abteilung für Neurologie liegt, ist das Behandlungspersonal dort in der Regel nicht entsprechend geschult, was zu gefährlichen Versäumnissen in der Behandlung führen kann. Diese würden mit dem entsprechend spezialisierten Fachpersonal weniger bis nicht passieren», gibt Müller zu bedenken. Grundsätzlich werde bei Eintritt ins Spital immer versucht, dass Patienten entsprechend der Erkrankung oder der Verletzung direkt auf eine Station der zuständigen Fachklinik kämen, erklärt Philipp Lutz. «Das ist aber nach aktueller Situation und Verfügbarkeit von Zimmern nicht immer sofort möglich. Wir können nicht in allen medizinischen Disziplinen x-beliebig viele Zimmer vorhalten», fährt Lutz fort. Das KSSG verfüge aber seit Jahren über ein professionelles Bettenmanagement, das dafür sorge, dass man für die Patienten immer die zum gegebenen Zeitpunkt bestmögliche Stationszuteilung sicherstellen könne. «Dabei gilt es, immer auch nach Komplexität der Erkrankungen oder der Verletzungen zu unterscheiden. Auch Mehrfacherkrankungen spielen eine wichtige Rolle», so Lutz. Könne ein Patient nicht auf der «richtigen» Station hospitalisiert werden, so werde das Pflegefachpersonal immer von einer Fachverantwortlichen der zuständigen Fachdisziplin unterstützt, sagt er.
Der Personalengpass kann nicht nur für die Patienten, sondern auch für das Personal gesundheitliche Folgen haben. «Zu Spitzenzeiten dauert ein Arbeitstag circa zwölf Stunden, obwohl er offiziell bei achteinhalb Stunden liegen sollte», weiss Bösch. Durch die personellen Engpässe sei es auch kaum möglich, die gesetzlichen Pausen einzuhalten, ergänzt Müller. «Die Znünipause kann oftmals nur mit Unterbrüchen und auch die Pausen im Spätdienst oder der Nachtschicht können nicht in den gesetzlichen 30 Minuten bezogen werden», erzählt sie. «Auf dem Papier ist die halbe Stunde Pause aber aufgeführt, auch wenn wir sie gar nicht machen konnten», fügt Bösch hinzu. «Ich kann nur festhalten, dass es am KSSG eine Weisung zur Arbeitszeit gibt, worin auch die Einhaltung der Mittagspausen und Pausen vorgegeben ist», sagt Lutz. In der Regel werde diese Weisung eingehalten, wobei es in einem so grossen Spital sicher auch mal Situationen geben könne, in denen auf eine Pause aufgrund einer besonderen Situation verzichtet werden müsse, fügt er hinzu.
Trotz allem geben die beiden ihrem Arbeitgeber nicht die alleinige Schuld an der misslichen Lage. «Das System ist marode und das KSSG musste Massnahmen ergreifen. Dass diese allerdings mit Massenentlassungen ergriffen wurden, enttäuscht mich», so Bösch. Die diplomierte Pflegefachfrau wünscht sich, dass von den entscheidenden Personen künftig mehr der Kontakt zur Basis, beispielsweise der Pflege, gesucht und auch nachgefragt wird. «Ich bin da – kommt und fragt auch mich und meine Kollegen nach unserem Arbeitsalltag und unseren Verbesserungsvorschlägen zur Kostensenkung», bietet Bösch an. Um den Personalengpässen und teuren Rekrutierungskosten in der Pflege im ganzen Kanton und vor allem auch am KSSG längerfristig gerecht werden zu können, bietet auch die Annahme des Finanzreferendums der ersten Etappe der Pflegeinitiative eine Möglichkeit: «Es ist wichtig, dass am 24. November der Kanton St.Gallen das Finanzreferendum annimmt», bekräftigt Bösch. «Ich möchte trotz allem betonen, dass das KSSG und das Personal dort nach wie vor kompetent ist und sie ihr Bestes geben», so Müller abschliessend. «Die Pflege ist bereit, anzupacken, wenn wir dafür auch wertgeschätzt werden», stimmt auch Bösch zu.⋌
⋌*Namen der Redaktion bekannt
Von Dominique Thomi
Im November 2021 wurde die Volksinitiative «Für eine starke Pflege» angenommen. Die Massnahmen beziehen sich auf diplomierte Pflegefachpersonen HF und FH. Es wurde vom Bundesrat beschlossen, diese in zwei Etappen umzusetzen:
1. Etappe: Im Rahmen einer Ausbildungsoffensive wird die Ausbildung in der Pflege gefördert.
2. Etappe: Die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals sollen verbessert werden.
Der Kantonsrat hat am 4. Juni das Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Förderung der Ausbildung im Bereich der Pflege erlassen. Die geplanten Ausgaben unterliegen dem obligatorischen Finanzreferendum, weshalb am 24. November 2024 über das Gesetz abgestimmt wird. Wenn die St.Galler Stimmbevölkerung der Vorlage zustimmt, tritt sie per 1. Januar 2025 mit teilweiser Rückwirkung per 1. Juli 2024 in Kraft.
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