Ursula Egli
nimmt Stellung zum Bericht der GPK.
"Zuerst braucht es die Absicht einer Verhaltensänderung", sagt Peter Lötscher, Stellenleiter der Suchtberatung Region Wil
Von Andreas Lehmann
RegionPeter Lötscher, mit welcher Art von Sucht werden Sie am häufigsten in der Suchtberatung konfrontiert?
Die meisten Anfragen betreffen den Missbrauch von Substanzen – sowohl von legalen als auch illegalen. Am häufigsten sind Alkohol, Cannabis und Kokain. Auch der missbräuchliche Konsum von Medikamenten sowie der Gebrauch von Amphetaminen sind oftmals Themen in den Beratungen. Obwohl das Rauchen (Vapes, Zigaretten) bekannterweise immer noch weit verbreitet ist, bekommen wir selten Anfragen in diesem Bereich. Personen mit Verhaltensabhängigkeiten, wie zum Beispiel Geldspielsucht, Kaufsucht, Internet und weitere, melden sich eher selten bei uns.
Ab wann ist man süchtig?
Die meisten Substanzen oder auch Verhaltensweisen können sowohl als Genuss, aber eben auch problematisch genutzt werden. Deshalb verwendet man ja die Bezeichnungen Genuss- und Suchtmittel. Die Übergänge von Genuss zu Gewöhnung, Abhängigkeit und Sucht sind oft fliessend. Dabei ist entscheidend, welchen Stellenwert die Substanz respektive die Verhaltensweise im Leben eines Menschen hat. Je wichtiger der Substanzkonsum oder die Verhaltensweise im Leben eines Menschen geworden ist, umso höher ist die Gefahr einer Abhängigkeit oder Sucht.
Wie erkennt man, ob jemand süchtig ist?
Bei süchtigen Menschen hat der Substanzkonsum respektive die süchtige Verhaltensweise einen sehr hohen Stellenwert in ihrem Leben. Das Leben dieser wird dominiert durch Beschaffung und Konsum des Suchtmittels. Sämtliche anderen Lebensbereiche, wie Familie, Beziehungen, Arbeit und so weiter, werden vernachlässigt.
Das kann soweit gehen, dass Menschen alles verlieren, was ihnen früher wichtig war, um nicht auf ihr Suchtverhalten verzichten zu müssen. Es muss betont werden, dass Sucht eine Krankheit ist, die behandelt werden kann.
Wie soll man sich verhalten, wenn man merkt, dass jemand aus dem Bekanntenkreis offensichtlich ein Suchtproblem hat?
Für Angehörige und Personen aus dem nahen Umfeld ist es schwierig und belastend zu akzeptieren, dass man nur wenig Einfluss nehmen kann. Ziemlich schnell fühlt man sich hilf- und machtlos. Gutgemeinte Ratschläge, Verbote und Regeln helfen meist nur wenig oder gar nicht. Häufig verschlimmern sie die Situation eher und führen zu Lügen, Abwehrreaktionen und Frustration.
Was raten Sie stattdessen?
Empfehlen würde ich, die eigenen Wahrnehmungen und Empfindungen auszudrücken, indem man beispielsweise sagt: «Du bist mir wichtig und es macht mich traurig mitzuerleben, wie du dir selber schadest. Die Entscheidungen für dein Leben triffst aber nur du allein. Wenn du konkret etwas an deiner Situation ändern willst, bin ich gerne für dich da.» Dies kann in Form einer Begleitung zu einem Arzttermin, in eine Klinik oder zu einem Gespräch bei der Beratungsstelle sein. Der Suchtberatung Region Wil ist es ein wichtiges Anliegen, nicht nur Selbstbetroffene, sondern auch deren Angehörige und andere relevante Menschen aus dem Beziehungsnetz zu beraten und zu unterstützen.
Häufig dürfte die von einer Sucht betroffene Person Angst haben oder sich vielleicht auch aus Schamgefühl nicht beraten lassen wollen. Wie überzeugt man diese Person, sich helfen zu lassen?
Scham- und Schuldgefühle sind zentrale Themen in der Suchtarbeit. Eine wohlwollende, akzeptierende und wertschätzende Haltung gegenüber betroffenen Menschen ist deshalb die Voraussetzung für einen Änderungsprozess. Natürlich machen Veränderungen erst einmal Angst – das kennen wir ja alle.
Es braucht deshalb Zeit, betroffene Menschen zu begleiten, bis sie erkennen können, dass sie wertvoll sind, so dass sie sich schliesslich erlauben können, liebevoller und achtsamer mit sich selber umgehen zu dürfen. Das ist ein elementarer Schritt in der Behandlung. Der eigentliche Heilungsprozess beginnt, wenn die Betroffenen anschliessend erfahren, dass sie ihrer Situation nicht hilflos ausgeliefert sind, sondern aktiv Einfluss nehmen können und Selbstwirksamkeit erleben.
Was machen Sie zuerst, wenn jemand Ihre Beratungsstelle aufsucht?
Das Erstgespräch dient zunächst dazu, sich gegenseitig kennenzulernen und die Rahmenbedingungen, wie beispielsweise die Schweigepflicht, zu erklären. Danach werden die Bedürfnisse und die Ziele der Beratung festgelegt. Ebenfalls besprochen werden bisherige Lösungsversuche sowie Möglichkeiten und Ressourcen der Rat suchenden Person. Abschliessend werden die Beratungstermine und die Behandlungsfrequenz vereinbart.
Welche Möglichkeiten haben Sie, um zu helfen?
Die eigentliche Behandlung findet in den Beratungsgesprächen statt. Dabei geht es vor allem darum, die Menschen auf ihrem Weg zu begleiten, um gemeinsam herauszufinden, was sie in ihrem Leben verändern möchten und welche Möglichkeiten und Ressourcen ihnen dabei zur Verfügung stehen. Auf Wunsch der Betroffenen werden weitere Bezugs- oder Fachpersonen beigezogen und gegebenenfalls Gespräche im erweiterten Rahmen geführt. Auch das Vermitteln von Hilfs-angeboten und Institutionen gehört zu unserem Aufgabenbereich.
Es gibt viele Möglichkeiten, abhängig zu sein, sei es Alkohol, Nikotin oder auch Rauschmittel. Wie steht es aber um neue Suchtprobleme, insbesondere bei jungen Menschen?
Bei jüngeren Menschen stehen oft der Mischkonsum, die sinkende Altersgrenze und die abnehmende Hemmschwelle für Risikoverhalten im Vordergrund. Erfreulicherweise kann festgestellt werden, dass die Mehrheit der jungen Menschen ein gutes Bewusstsein für ihre Gesundheit hat. Sie gehen achtsam mit Suchtmitteln und -verhalten um.
Hat das digitale Verhalten der Gesellschaft neue Formen der Sucht hervorgebracht?
Es ist klar, dass mit den neuen technischen Möglichkeiten und Angeboten auch neue Verhaltensabhängigkeiten entstanden sind.
Diese Angebote hat es ja früher gar nicht gegeben. Je mehr Menschen Zugang zum Internet und zu digitalen Medien haben, umso grösser wird die Anzahl der Menschen, die mit den Herausforderungen dieser Medien Schwierigkeiten haben und ein problematisches Nutzungsverhalten entwickeln. Es könnte aber auch sein, dass durch die vermehrte Beschäftigung mit dieser Thematik das Wissen um die Gefahren zunimmt und somit die Achtsamkeit steigt, so dass die jüngeren Generationen, die mit diesen Themen aufwachsen, einen guten Umgang erlernen können.
Kann man heute schon einschätzen, wie hoch die Rückfallquote bei jungen Menschen, beispielsweise bei Gaming-Süchtigen, ist?
Die Frage nach der Rückfallquote ist klassisch in der Suchtarbeit und lässt sich nicht wirklich beantworten, da sie ja einen Zeitrahmen implementiert. Welcher Zeitraum soll angewandt werden: ein Jahr, zehn Jahre, das restliche Leben? Die Rückfallquote lässt sich in der Praxis nicht aussagekräftig überprüfen.
Was braucht es, um von einer Sucht loszukommen?
Zunächst braucht es die Absicht einer Verhaltensänderung. Also eine Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Lebenslage und die Motivation, diese zu verändern. Die Lebensqualität kann in jeder Lebensphase und in allen Lebensumständen verbessert werden. Dazu braucht es Mut, Zeit, sehr viel Geduld, auch mit sich selber, Zuversicht und die Kraft, sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.
Die Suchtberatung Region Wil ist für Einwohnerinnen und Einwohner aus den Gemeinden Bütschwil-Ganterschwil, Kirchberg, Lütisburg, Mosnang, Niederhelfenschwil, Wil und Zuzwil. Ihre Angebote richten sich an Menschen aller Altersgruppen, Selbstbetroffene, Angehörige und weitere Personen aus dem nahen Umfeld. Die Dienstleistungen der Beratungsstelle sind für Personen mit Wohnsitz in den aufgeführten Gemeinden kostenlos.
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