Ursula Egli
nimmt Stellung zum Bericht der GPK.
Am Dienstag fand in Zuzwil der Informationsanlass zum Hochwasserschutzprojekt statt. Vorgestellt wurden zwei verschiedene Varianten. Die Befürworter des Projekts «Teilausbau mit Rückhaltebecken» zweifeln die Validität der Überprüfung der beiden Projekte durch die Gemeinde an.
Zuzwil Eine Gewitterfront brachte den Dorfbach in Zuzwil im Sommer 2015 zum Überlaufen. Um erneute Überschwemmungen zu verhindern, soll der Dorfbach saniert werden. Im Oktober 2019 konnte die Zuzwiler Stimmbevölkerung an der Urne zwischen zwei Varianten zur Verbesserung des Hochwasserschutzes entscheiden und hat beide Projekte abgelehnt. Ende November dieses Jahres kommen erneut zwei Projektvarianten vors Volk.
Wie vor fünf Jahren spaltet auch die kommende Abstimmung die Gemüter. Die Gemeinde spricht sich klar für das bisherige Projekt, den Vollausbau des Dorfbaches aus. Sie argumentiert mit ökologischen Vorteilen, der Verträglichkeit mit dem Ortsbild sowie dem Kosten-Nutzen-Verhältnis bei einem Betrag von 15,3 Millionen (netto 7,7 Millionen) Franken. Der Vollausbau sei die gängige Praxis, ein Gewässer hochwassersicher zu machen, heisst es im vom Gemeinderat verabschiedeten «Gutachten über den Hochwasserschutz am Dorfbach Zuzwil». Doch die Projektvariante erhält Gegenwind: «Das Volk hat den Vollausbau 2019 abgelehnt. Weshalb die Gemeinde dieses Projekt erneut zur Abstimmung bringt, verstehe ich nicht », so der Zuzwiler Manfred Hollenstein. Tatsächlich sind die Unterschiede zum gescheiterten Projekt marginal: Gemäss Gutachten wurde die neue Variante den veränderten Rahmenbedingungen im Wasserbau angepasst. Als Mitglied des Ad Hoc Komitees zur Rettung des Zuzwiler Dorfbaches (AHK) setzen sich Manfred Hollenstein mit Urs Gschwend aus der Projektgruppe Hochwasserschutz deshalb für den zweiten Sanierungsvorschlag ein. Diesen hat die «Projektgruppe Hochwasserschutz Dorfbach» unter Leitung des Gemeindepräsidenten ausgearbeitet. Mit der Unterstützung des AHK und anderen Mitgliedern der Projektgruppe setzten sich Gschwend und Hollenstein für den Teilausbau des Dorfbaches mit Rückhaltebecken ein. Kostenpunkt: 28.8 Millionen (netto 21,1 Millionen) Franken. Diesen deutlich höheren Preis begründen die Mitglieder unter anderem mit ökologischen Vorteilen sowie dem Schutz des Ortsbildes und des Grundwassers.
«Das Zuzwiler Ortsbild ist geschützt», so Manfred Hollenstein. Bei Eingriffen müssen die Schutzinteressen des Inventars der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) beachtet werden, weiss der Zuzwiler. «Bei Bauarbeiten, beispielsweise an einer Fassade, achtet die Gemeinde sehr genau auf die Einhaltung ihrer Schutzverordnung zu den geschützen Ortsbildern», so Urs Gschwend. Als Geschäftsführer eines Zuzwiler Holzbauunternehmens spreche er aus Erfahrung. Hollenstein und Gschwend bezweifeln, dass der von der Gemeinde empfohlene Vollausbau die Interessen des ISOS berücksichtigt. «Das Vollausbau-Projekt ist überdimensional breit und tief», argumentiert Hollenstein. «Wir wollen keinen Graben durchs Dorf».
Neben dem Ortsbild ist den beiden Zuzwilern auch die Natur ein Anliegen. Beim Vollausbau wird das Bachbett breiter und tiefer. «Der Eingriff ins Grundwasser ist beim Vollausbau nicht geklärt», so Manfred Hollenstein. Werde die Bachsohle zu stark abgesenkt, könne das nicht einkalkulierbare Folgen haben, warnt Urs Gschwend. «Wir kennen das Verhalten des Grundwasserspiegels nicht. Eine Unterbrechung dessen Flusses könnte zu Anstau des Grundwassers mit Wassereintritt in Keller oder zu Bewegungen von Erdschichten führen.» Das Grundwasser werde auch mit dem Teilausbau tangiert, allerdings in einem viel kleineren Ausmass, betonen die beiden Zuzwiler. Wahrscheinlich könnten beim Vollausbau entsprechende technische und bauliche Massnahmen ausgeführt werden, um die angesprochenen Risiken zu mindern, gibt Hollenstein zu. Ob der berechnete Kostenaufwand dann noch reiche, sei allerdings fraglich.
Neben den baulichen Dimensionen, bemängeln die beiden Zuzwiler auch die Berechnung und die Gegenüberstellung des Kostenaufwands der beiden Projekte. «Die beiden Varianten wurden nicht sauber miteinander verglichen», prangert Gschwend an. Als Beispiel verweist er auf die Preise der geplanten Brücken und die Gesamtkosten für den Gewässerausbau. Das Volumen des Baches wird beim Vollausbau mit 38 Kubik ungefähr 2,5 Mal so gross wie der Teilausbau mit 15 Kubik. Trotzdem sind für den Vollausbau weniger Kosten eingeplant als für den Teilausbau. Im Gutachten der Gemeinde Zuzwil sind für den Wasserbau inklusive Brücken 10'970'000 Franken beim Vollausbau und 13'690'000 Franken beim Teilausbau aufgelistet. Mir Vorbehalt auf eine Kostengenauigkeit von bis zu 20 Prozent. «Es ist logisch nicht möglich, dass Aufwände bei Aushubarbeiten, Brückenlängen, Fundamenttiefen und Werkleitungen bei einem grösseren Volumen günstiger sind»,so Gschwend. Dabei gehe es den beiden nicht im die Kosten selbst, sondern um das Missverhältnis der Berechnungen. Investieren wollen sie in die Zukunft: «Uns ist klar, aufgrund des Teilausbaus müssen wir irgendwann mehr Steuern bezahlen», gibt Manfred Hollenstein zu. Das Projekt sei aber ausbaubar. Altlasten würden saniert und zukünftige Generationen somit vom Teilausbau profitieren.
Am 24. November können die Zuzwiler Stimmberechtigten an der Urne zwischen den zwei Hochwasserschutzvarianten entscheiden. Werden beide Projekte abgelehnt, sind die Planungsarbeiten gemäss Gutachten beendet und für unbestimmte Zeit aufgeschoben.
Linda Bachmann
Roland Hardegger, wie wird beim Vollausbau die Einhaltung der ISOS-Richtlinien gewährleistet? Schadet der Vollausbau dem Ortsbild?
Der Gemeinderat geht davon aus, dass beide Projektvarianten, also der Vollausbau und der Teilausbau mit Rückhaltebecken, mit dem Ortsbild vereinbar sind. Von den kantonalen Bewilligungsbehörden gab es bis anhin keine Einwände oder anderslautende Rückmeldungen. Hinzu kommt, dass bei beiden Varianten entlang des Dorfbaches Ausbauarbeiten vorgenommen werden müssen. Dies ist zwingend notwendig, um den Schutz der Bevölkerung sowie der Infrastruktur und der Sachwerte sicherzustellen. Gemäss Ortsplaner ist der
Vollausbau mit dem Ortsbild verträglich. Für die Dämme und die umgelegte Strasse werden im Gebiet Chellhof mit dem Wald, den Hecken und der Waldwiese entlang
des Baches wertvolle Lebensräume für immer zerstört. 12600 Quadratmeter Dammflächen werden mit Steinen und Erdmaterial überdeckt.
Wie wird mit dem Vollausbau in das Grundwasser eingegriffen? Sind die dadurch entstehenden Kosten im Aufwand mit einberechnet?
Die Fachplaner rechnen damit, dass bei drei Objekten durch eine allfällige Absenkung des Grundwasserspiegels die heutigen Heizsysteme ersetzt werden müssen. Diese Kosten sind im Projekt enthalten und gehen zu Lasten der öffentlichen Hand. Auf die Trinkwasserversorgung werden sowohl der Vollausbau, als auch der Teilausbau mit Rückhaltebecken keine negativen Auswirkungen haben. Der Zuströmbereich für die drei Grundwasserpumpwerke Grund, Thurau und Thursteg in den Thurauen bei der Autobahn ist weit ausserhalb des Dorfbaches. Für alle drei Grundwasserschutzfassungen wurden neue Schutzzonen per Ende Dezember 2023 erlassen.
Gegner des Vollausbaus zweifeln den Kostenvergleich der beiden Projekte an. Wie können die Brücken für ein grösser dimensioniertes Projekt geringer sein als bei einem kleineren Projekt?
Die Kosten wurden durch zwei unterschiedliche Ingenieurbüros gemäss deren Erfahrungswerten berechnet und durch ein drittes, unabhängiges Ingenieurbüro überprüft. Zudem haben die kantonalen Fachstellen anlässlich der erfolgten Vorprüfung beider Projekte die Kosten auf ihre Plausibilität überprüft. Das Projekt «Teilausbau mit Rückhaltebecken» bildet das Referenzprojekt und wurde respektiert und blieb unverändert. Der Ingenieur ergänzte nur, wo es die Vergleichbarkeit erfordert (Werkleitungen, Landbedarf, Altlast). Ziel der Projektüberprüfung war es, das Projekt «Vollausbau» auf den gleichen Stand wie das Projekt «Teilausbau mit Rückhaltebecken» zu bringen. Die Brückenkosten sind beim Teilausbau mit Rückhaltebecken hoch. Die Kostendifferenz bei den Brücken ergibt sich aus dem unterschiedlichen Umgang mit Reserven bei der Kostengenauigkeiten auf Stufe Vorprojekt. Das Projekt Vollausbau ist kleiner als das Projekt Teilausbau mit Rückhaltebecken. Für den Vollausbau muss weniger Erdreich und Material bewegt werden als die Dämme und den Teilausbau, die rund 15 Meter hoch und über 100 Meter lang werden.
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