Michael Sarbach
ist neuer Botschafter der Stadt Wil.
André dos Santos kennt sich mit Suchtproblematiken bestens aus und ordnet ein, warum diese gerade auch bei Menschen, die in die Pension gehen vermehrt auftreten.
Letztes Jahr wurde in Eschlikon das Forum 60+ ins Leben gerufen. Das, damit sich ältere Menschen begegnen und etwas Neues erfahren können. Am kommenden Donnerstag, 7. November haben sie Suchtberater André dos Santos als Referent in den Mehrzwecksaal Bächelacker in Eschlikon eingeladen. Denn er ist sicher: «Nur wenigen Leuten ist bekannt, wie Einsamkeit im Alter zur Abhängigkeit von Substanzen oder Glücksspiel führen kann.»
Eschlikon André dos Santos ist Suchtberater bei der Perspektive Thurgau in Frauenfeld. Tagtäglich wird er mit den Folgen von Alkoholmissbrauch, erhöhtem Konsum von Schlaf- und Beruhigungsmitteln und weiteren Verhaltensweisen von Süchtigen konfrontiert. Dadurch weiss er auch, dass insbesondere bei Menschen im Alter von 60+ das Risiko für eine Abhängigkeit steigt. Im Interview erklärt er die Zusammenhänge von Alter, Einsamkeit und Sucht.
André dos Santos, eine Gesundheitsbefragung aus dem Jahr 2017 zeigt, dass 32 Prozent der Menschen über 65 Jahren manchmal bis oft einsam sind. Was sind die Gründe dafür?
Die Gründe für die Entstehung von Einsamkeit können vielfältig sein und liegen meist in der veränderten Lebenssituation, mit der man im Alter konfrontiert sein kann. Verlust des Partners oder der Partnerin, mangelnde Sozialkontakte und auf familiärer Ebene kann man sagen, dass nicht immer Kinder und Enkel in erreichbarer Nähe leben. Auch ist nicht immer gesagt, dass bei den vielfältigen Alltagsbelastungen regelmässige Kontakte stattfinden. Zudem können gesundheitliche Einschränkungen zu einer Einsamkeitsentwicklung beitragen.
Wie kann Einsamkeit erkannt werden und ist jemand bereits einsam, wenn er oder sie gerne alleine ist?
Gerne allein zu sein, hat nichts mit Einsamkeit zu tun. Wer gerne allein ist, ist sich selbst genug und ist meist mit sich und seinem Leben zufrieden. Wenn man einsam ist, vermisst man andere Menschen, deren Nähe, gegebenenfalls auch Körperkontakt, den Austausch oder vielleicht auch nur die Anwesenheit eines anderen Menschen.
Wie kann aus Einsamkeit Sucht entstehen oder wann wird aus Sucht Einsamkeit?
Sowohl der eine als auch der andere Weg ist möglich. Bei einer bestehenden Abhängigkeitserkrankung entstehen meist über die Jahre Störungen in den Beziehungen mit den Menschen, die einem am nächsten sind. So kann es sein, dass sich andere vom Betroffenen distanzieren. Es ist jedoch genau so denkbar, dass aufgrund des Gefühls der Leere und der manchmal nur schwer zu ertragenden «Stille» in den eigenen vier Wänden vermehrt zu Suchtmitteln gegriffen wird, um dieses unangenehme Gefühl leichter aushalten zu können.
Wie definiert man Sucht?
Unabhängig von der Substanz oder vom Verhalten, können auch Faktoren wie Toleranzentwicklung, Dosissteigerung und körperliche sowie psychische Entzugszeichen ein Hinweis auf eine Abhängigkeit sein. Kurz gesagt, wenn sie ohne die Substanz oder auch das Verhalten wie beispielsweise dem Glücks- oder Geldspiel nicht mehr leben können.
Wie verbreitet ist Sucht im Alter?
Sucht im Alter ist ein weit verbreitetes Phänomen, welches verschiedenste Substanzen beinhalten kann. Alkohol ist jederzeit und überall verfügbar, Medikamente wie Schmerz und Beruhigungsmittel stellen ein hohes Risiko dar. Aber auch Nicht-Stoffgebundene Süchte wie Glückspiel, Geldspiel, oder auch das Spielen von Handyspielen können im Alter zum Problem werden. Letztere haben aber sicher bei den bisher in diesem Zusammenhang aufgezählten Süchten einen eher weniger schädlichen Charakter.
Was ändert sich in dieser Lebensphase und welche Gründe können nebst Einsamkeit zum Ausbrechen einer Sucht führen?
Es sind unterschiedliche Faktoren, die zu einer Abhängigkeitsentwicklung führen können. Todesfälle im Umfeld, Krankheiten, kein geregelter Alltag, viel freie Zeit und fehlende Hobbys spielen sicherlich eine Rolle. Zusätzlich kann der Wegfall von Tagesstruktur, fehlende Bestätigung durch den Beruf und das abnehmende Gefühl von Selbstwirksamkeit und Kompetenz zu einer dysfunktionalen Entwicklung beitragen.
Was muss sich in der Gesellschaft ändern, um der Problematik von Einsamkeit und Sucht im Alter entgegenzuwirken?
Ein allgemeingültiges Konzept kann an dieser Stelle nicht vorgelegt werden. Man kann aber sagen, dass ein stufenweiser Übergang vom Berufsleben in die Pension zielführend sein könnte. Auch ist es eine Überlegung wert, hier entsprechende Angebote zu machen, um Menschen besser auf den dritten Lebensabschnitt vorzubereiten. Denn je älter man wird, umso länger werden gefühlt die Tage. Deswegen ist Prävention so wichtig: Je früher jeder einzelne ein funktionierendes Netzwerk aufbauen kann, desto geringer scheint die Gefahr einer Abhängigkeitsentwicklung zu sein. Da Gesundheit im Alter eine zentrale Rolle spielt, sollten künftige Konzepte der Präventionsarbeit das Alter 60+ stärker in den Vordergrund stellen. Es ist aber auch jeder einzelne gefragt, seine mögliche Scheu und Scham abzulegen und bereits bestehende Angebote wie das Forum 60+, zum Aufbau eines nachhaltigen Beziehungsnetzes, in Anspruch zu nehmen.
Wo beginnt das Gespräch, die Unterstützung und schliesslich die Hilfe?
Das Wichtigste scheinen auch unter diesem Aspekt, funktionierende Beziehungen zu sein. Nur wenn man eine Beziehung zu seinem Nächsten hat, traut man sich auch «heikle» Beobachtungen anzusprechen. Das kann der Nachbar, die Pflegefachfrau der Spitex, ein Freund oder Verwandter sein. Wichtig ist aber, dass kein Mensch mit einem Problem allein sein sollte. Hilfreich ist jede Form des echten empathischen Interesses am Betroffenen. Beratungsstellen wie die Perspektive Thurgau stehen jederzeit allen Angehörigen und Betroffenen offen zur Verfügung.
jms/Ruth Bossert
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