Laura Oberholzer
ist seit zwei Jahren Leiterin der Midnightsports in Zuzwil.
Ursula Egli
Verstösst der Kantonsratsbeschluss zu den Tempo-30-Zonen tatsächlich gegen geltendes Recht? In der Politik wird oft mit harten Bandagen gekämpft. Der Stadtparlamentarier Sebastian Koller (Grüne pro Wil) nimmt kein Blatt vor den Mund und greift zwei Stadträte frontal an.
Wil Meinungsverschiedenheiten gehören zum politischen Diskurs dazu und manchmal erhitzt eine Debatte die Gemüter ganz besonders. So auch der Kantonsratsbeschluss zu den Tempo-30-Zonen. Die WN wollten von der Stadt- und Kantonsrätin Ursula Egli wissen, was sie auf die persönlichen Angriffe von Sebastian Koller entgegnet und wie die Wiler Verkehrspolitik vom Kantonsratsbeschluss betroffen ist.
Im Polittalk der WN von Ende Dezember werden Sie und Ihr Ratskollege Jigme Shitsetsang namentlich als «Promotoren einer hirnverbrannten und bundesrechtswidrigen Aktion» benannt. Was ist aus Ihrer Sicht von diesem Frontalangriff zu halten?
Ich bin immer wieder erstaunt, wie ungehalten gewisse Politiker reagieren, wenn man ihre eigene Meinung nicht teilt. Es würde der Sache mehr dienen, wenn sie sich auf die betreffende Thematik konzentrieren könnten und auf Beleidigungen verzichten würden.
Wil gilt seit Jahren als neuralgischer Verkehrsknotenpunkt. Wo haben Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit die Schwerpunkte gesetzt, um dem Verkehrsproblem entgegenzutreten?
Wir versuchen, den ÖV attraktiver zu gestalten, und entwickeln deshalb unter anderem das Buskonzept ständig weiter.
Die Richtplanung für die Wiler Strassen wurde 2016 aktualisiert. Als eines der Ziele wurde eine «Reduktion der Dominanz motorisierten Individualverkehrs» genannt. Heute ist eher das Gegenteil zu beobachten. Ist die Wiler Strassenstrategie gescheitert?
Die Wiler Strassenstrategie ist keineswegs gescheitert, aber es ist eine Herausforderung, die Dominanz des motorisierten Individualverkehrs zu reduzieren, nur schon aufgrund des Bevölkerungswachstums, das sich auf die Mobilität auswirkt. Gegenwärtig sind wir im Rahmen der Ortsplanung an der Erarbeitung eines Gesamtverkehrskonzeptes, um die Mobilität als Ganzes noch besser aufeinander abzustimmen. Man muss an mehreren Stellschrauben drehen, damit man etwas bewegen kann. Dabei spielt auch die kantonale Gesetzgebung eine wichtige Rolle.
Lässt sich das gesteigerte Verkehrsaufkommen überhaupt bewältigen und wo sehen Sie konkrete Lösungsansätze?
Es gibt keine einfache Lösung, aber wir können Massnahmen ergreifen, um die Verkehrssicherheit zu verbessern und die Umweltbelastungen zu reduzieren. Dies braucht eine Gesamtsicht, die der Stadtrat im Rahmen der Ortsplanung aufeinander abstimmen muss. Ausserdem sind die geplanten Verkehrsprojekte im Rahmen der Arealentwicklung Wil West ebenfalls entscheidend für die Verkehrsentlastung des Stadtzentrums.
Sind Tempo-30-Zonen dazu geeignet, Automobilisten aus den Innenstädten fern-zuhalten?
Tempo-30-Zonen machen dort Sinn, wo es um die Verbesserung der Verkehrssicherheit und die Reduzierung von Lärm und Umweltbelastungen geht. Sie können durchaus dazu führen, dass es in den Innenstädten weniger privaten Autoverkehr gibt. Das kann eine Folge davon sein, aber ich finde es falsch, wenn man Tempo-30- Zonen mit diesem Ziel einführt. Zu lebendigen Innenstädten gehört im Gesamtinteresse der Bevölkerung auch die individuelle Mobilität in einem vernünftigen Rahmen.
In Wil wurde bereits auf einigen Strassen Tempo 30 eingeführt. Welche Auswirkungen lassen sich beobachten?
Der Verkehr hat sich in den Quartieren mit Tempo-30-Zonen beruhigt. Es findet weniger Ausweichverkehr statt und die Sicherheit hat sich erhöht. Ein aktuelles Projekt ist die Einführung von einer solchen Zone in Rossrüti.
Der Kantonsratsbeschluss verbietet eine Ausweitung der Temporeduktion auf Kantonsstrassen und Gemeindestrassen erster Klasse. Wie tangiert der Beschluss Ihre Strategie?
Wenn das so eindeutig wäre, dann hätte die entsprechende Motion im Kantonsrat sicher keine Mehrheit gefunden. Die Antwort darauf ist eine Sache der Interpretation, oder besser gesagt der politischen Ausrichtung, denn eine endgültige Antwort würde es nur geben, wenn das Bundesgericht dazu ein Urteil fällt. Die Motion will, dass der Kanton bei der Festlegung der Höchstgeschwindigkeit auf den entsprechenden Strassen den Spielraum nutzt, den das Bundesrecht erlaubt.
Auf einen Vorstoss von Matthias Loepfe (Grüne pro Wil) vom Mai 2022 hin äusserte sich der Stadtrat noch offen, auch auf einem Teil der Kantonsstrassen eine partielle Temporeduktion auf 30 km/h zu prüfen. Ist diese Ausweitung nun ganz vom Tisch?
Nachdem die oben erwähnte Motion angenommen wurde, muss nun die Regierung dem Kantonsrat einen Nachtrag des Strassengesetzes unterbreiten. Das bedeutet, dass sich auch für die Gemeinden die Ausgangslage geändert hat. Zudem werden auch sie ein Wort mitzureden haben. Die Debatte ist also noch lange nicht zu Ende.
Die «bessere Nutzung des Potenzials des öffentlichen Verkehrs» war ausdrücklich als weiteres Ziel der Richtplanung 2016 definiert. Ist in diesem Bereich noch Luft nach oben vorhanden?
Das Buskonzept Wil 2021 war der erste Schritt zur Umsetzung der ÖV-Strategie Wil 2030/35. Im Fahrplan 2021 wurden die Rundkurse der Linien 701, 702 und 703 durch Stichlinien ersetzt. Damit konnten die Fahrplanstabilität und die Anschlusssicherheit erhöht werden. Die Umgestaltung des Bahnhofplatzes wird die Attraktivität des ÖV weiter steigern. Dies sind wichtige Schritte, das Potenzial des öffentlichen Verkehrs weiter auszuschöpfen und auszubauen.
Von Wiesy Imhof
Der Kantonsrat hat in seiner Septembersession das künftige Strassenbauprogramm besprochen. Dabei hat sich der Rat mit grosser Mehrheit für ein Verbot von Temporeduktionen auf 30 km/h im Bereich von Kantons- und Gemeindestrassen ausgesprochen.
Der Kantonsratsbeschluss sieht sehr enge Rahmenbedingungen für Ausnahmen vor. So sollen auf den betroffenen Strassenabschnitten dann Tempo-30-Zonen installiert werden können, wenn diese Massnahme objektiv der Sicherheit dient. Dagegen würden beispielsweise Lärmemissionen nicht als Begründung für Ausnahmeregelungen akzeptiert. In solchen Fällen müssten Sanierungsmassnahmen ergriffen werden, welche der Reduktion des Verkehrslärms dienen.
Wil ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Die zentralen Hauptverkehrsachsen auf Wiler Stadtgebiet zählen grundsätzlich zur Kategorie der Kantonsstrassen. So gehören etwa die Zürcherstrasse, die St.Gallerstrasse oder die Bronschhoferstrasse zum Kantonsstrassennetz. Bei den Gemeindestrassen erster Klasse ist die Definition etwas komplexer. Laut Gesetz handelt es sich dabei um Strassen, welche dem örtlichen und überörtlichen Verkehr dienen. Als Beispiele für diese Kategorie wären in Wil etwa die Hubstrasse oder die Glärnischstrasse zu nennen. Die beiden erwähnten Strassenkategorien dürften laut Parlamentsbeschluss nicht in 30er-Zonen umgewandelt werden.
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