Michael Sarbach
ist neuer Botschafter der Stadt Wil.
Die Aadorferin C. S.* steht vor einer der grössten Herausforderungen ihres Lebens: Ihr Vater leidet an Demenz, und die Krankheit schreitet rasch voran. Was folgt, sind Ängste, Schuldgefühle und jede Menge Fragen.
Aadorf «Was zunächst mit leichter Vergesslichkeit begann, entwickelte sich innerhalb weniger Monate zu massiven Einschränkungen», beschreibt C. S.* die Demenz ihres Vaters und erzählt: «Als er vor einem Jahr die Führerscheinprüfung nicht mehr bestanden hatte und den Ausweis abgeben musste, ging es rapide bergab.» Überall, wo er seine Freunde treffen wollte, konnte er nicht mehr hin und das öffentliche Verkehrssystem habe ihn überfordert. «Einmal fuhr er sein Auto sogar ohne Führerschein und ohne Nummernschild. Daraufhin wurde er von der Polizei gestoppt und sein Auto wurde endgültig konfisziert», so die Aadorferin.
Ohne seinen Führerschein fühlte sich der Vater von C. S. zunehmend gefangen: «Immer öfter wurde ich mit seinen Wutanfällen konfrontiert.» Dann verlor er zweimal seine Wohnungsschlüssel. «Das kostete ein kleines Vermögen, weil auch die Schlüssel aller anderen Mieter ausgetauscht werden mussten», erinnert sich C. S. Ebenfalls in diesem Zeitraum habe er sein Portemonnaie verloren, sei nicht mehr zu Terminen erschienen und habe aufgehört, auf Anrufe zu reagieren. «Das war sehr aufwühlend. Aus Sorge um meinen Vater stand ich mehrere Male frühmorgens vor seiner Haustür und wusste nicht, was mich erwartet. Ist er davongelaufen? Ist er gestürzt und kommt nicht an sein Telefon? Oder Schlimmeres?»
Für C. S. häuften sich die Probleme: «Er vergisst, dass er sein Auto nicht mehr hat, und fragt nach dessen Verbleib, sucht ständig seine Schlüssel oder verwechselt wichtige Bankdokumente. Er kann Termine nicht mehr eigenständig organisieren und verliert zunehmend das Verständnis für Alltagsabläufe.» Für C. S. bedeutet das eine massive Belastung: Die Aador-ferin arbeitet Vollzeit, kümmert sich um die Finanzen ihres Vaters und macht sich ständig Sorgen. «Ich habe zwei erwachsene Kinder. Doch nun fühlt es sich an, als hätte ich plötzlich wieder ein Kleinkind – nur dass dieses Kleinkind mein eigener Vater ist», sagt sie. Die emotionale Achterbahnfahrt zehrt an ihren Kräften: «Man wechselt zwischen, Ärger, Belustigung und Liebe.» Deshalb wandte sie sich an die Demenzberatung von Silvia und Marcello Cofone.
«Demenz betrifft nicht nur die erkrankte Person, sondern immer auch die Hauptpflegeperson – oft ein Familienmitglied», erklärt Marcello Cofone. «Viele Angehörige rutschen dabei in ein Burn-out, weil sie keine Auszeiten haben. Es ist entscheidend, sich frühzeitig Unterstützung zu holen», so der Demenzberater. Seit über 30 Jahren begleitet er Menschen mit Demenz und deren Angehörige und hat diverse Pflegeeinrichtungen in Demenzfragen beraten. Auch seine Frau Silvia hat über 20 Jahre Erfahrung in der Komplementärtherapie. Angst und Hilflosigkeit begegnen die beiden in der Demenzberatung häufig. Doch das Ehepaar Cofone ist sich einig: «Demenz muss keine Angst machen – weder für die Betroffenen noch deren Angehörigen.»
«Menschen mit Alzheimer leben im Hier und Jetzt», sagt Marcello Cofone. «Sie freuen sich über Spaziergänge, gutes Essen und kleine, schöne Momente – das ist eine Lehre für uns alle, den gegenwärtigen Augenblick bewusster zu geniessen.» Demente Menschen sind oft sehr ehrlich und authentisch. «Sie zeigen ihre Emotionen ungefiltert – sei es Freude, Liebe oder Verwirrung. Das kann und darf auch mal lustig sein», ergänzt Silvia. Ein Leben mit Demenz dreht sich nicht um Zukunftssorgen, sondern um das, was jetzt zählt: Lebensqualität im Moment. Um C. S. und ihrem Vater ein Stück Lebensqualität zurückzugeben, haben sie ihre wichtigsten Fragen beantwortet.
«Wenn ich meinen Vater ins Altersheim schicke, heisst das dann, ich habe ihn aufgegeben?»
Viele Angehörige kämpfen mit Schuldgefühlen, doch es ist wichtig, auch auf die eigenen Grenzen zu achten. Ein Heim kann die bestmögliche Betreuung bieten, wenn die Pflege zu Hause zu belastend wird. Sich für Unterstützung zu entscheiden, bedeutet nicht, jemanden aufzugeben. In einem unserer Onlinekurse haben wir viele Wege zusammengetragen, wie man sich selber in dieser Situation psychologisch entlasten kann.
«Kann sich sein Zustand auch wieder verbessern?»
Alzheimer ist nicht heilbar, aber manche Faktoren lassen sich optimieren. Viele Medikamente haben schlechte Wechselwirkungen und ältere Menschen leiden häufig an Vitaminmangel. Eine gute ärztliche Abklärung kann helfen, den Zustand zu verbessern, indem einzelne Medikamente gestrichen werden und man stattdessen die Vitaminzufuhr erhöht.
«Er hatte früher viele Freunde und Interessen, ist jetzt aber stark isoliert. Was kann ich tun?»
Im Fall des Vaters von C. S. ist der Verlust von Mobilität ein zentraler Faktor. Finden Sie heraus, ob er interessiert wäre an neuen Aktivitäten oder einem Austausch mit anderen Betroffenen. Wir sorgen beispielsweise auch für Gruppensessions, bei denen sich Demente und Demenzangehörige online untereinander austauschen können. Auch die Umsiedlung ins Altersheim könnte der Isolation entgegenwirken.
«Mein Vater trinkt viel Alkohol. Ist das ein Problem?»
Ja, Alkohol ist ein Gift, das das Gehirn schädigt und sogar eine eigene Form der Alkoholdemenz verursachen kann. Viele Betroffene trinken aus Angst vor Kontrollverlust oder aus Frustration. Man kann die demente Person zu einem bewussteren Umgang mit Alkohol motivieren, aber sie nicht zu einer Abstinenz zwingen.
«Kann es sein, dass mich mein Vater plötzlich nicht mehr erkennt?»
Der Kopf wird zwar verwirrt, aber nicht das Herz. Auch wenn Namen oder Gesichter vergessen werden, bleibt das Gefühl für enge Beziehungen meist erhalten – das gilt insbesondere für Paarbeziehungen. Ausserdem werden bei Demenz neuere Dinge schneller vergessen, während das Altgedächtnis länger erhalten bleibt.
«Wie kann ich Termine vereinbaren, ohne dass er sie vergisst?»
Wiederholte Erinnerungen auf verschiedenen Wegen – Notizen, Kalender, digitale Erinnerungen oder enge Begleitung – erhöhen die Chance, dass eine davon hängen bleibt. Geduld ist entscheidend.
*Name der Redaktion bekannt
jms
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